Der Begriff Perspektive leitet sich von dem lateinischen Wort perspicere ab. Übersetzen lässt sich dies mit hindurchsehen oder hindurchblicken. Seit vielen tausenden von Jahren ist die Perspektive ein wichtiges Darstellungselement in der Kunst. Erste Ansätze für perspektivisches Zeichnen finden sich bereits in alten Höhlenmalereien, wie zum Beispiel in den 30.000 Jahre alten frankokantabrischen Abbildungen, die man in der Grotte von Chauvet bewundern kann. (Quelle: Wikipedia)
Als Perspektive versteht man das Verhältnis der Abstände in einem Raum, wie er von dem jeweiligen Standpunkt des Betrachters aus wahrgenommen wird. Somit ist eine Veränderung der Perspektive nur durch die einhergehende Veränderung des Standorts des Betrachters möglich. Wird lediglich der zu betrachtende Ausschnitt verändert, bleibt die Perspektive gleich. Ein bloßes Heranzoomen, wie es zum Beispiel in der Fotografie zu finden ist, führt nicht zu einem Perspektivwechsel.
In der Kunst wird die perspektivische Darstellung dazu genutzt, einer zweidimensionalen Fläche einen räumlichen Eindruck zu verleihen. Hierzu wird es dem Betrachter ermöglicht, die auf zwei Dimensionen reduzierte Darstellung durch eine entsprechend umgesetzte Abbildung dem dreidimensionalen Sehen anzupassen.
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Mit diesen Worten versuchte Dürer, den Begriff der Perspektive zu erläutern. Ähnliche Ansätze verfolgten auch die Erkenntnisse von Leon Battista Alberti, die er in seinem Werk "De Pittura" (über die Malkunst) manifestierte. Sehr aufschlussreich ist die Definition von Panofsky: "... Wir wollen da, und nur da, von einer im vollen Sinne »perspektivischen Raumanschauung« reden, wo nicht nur einzelne Objekte, wie Häuser oder Möbelstücke, in einer "Verkürzung" dargestellt werden, sondern wo sich das ganze Bild [...] gleichsam in ein »Fenster« verwandelt hat, durch das wir in den Raum hindurchzublicken glauben sollen - wo also die materielle Mal- und Relieffläche [...] zu einer bloßen Bildebene umgedeutet wird, auf die sich ein und durch sie hindurch erblickter und alle Einzeldinge in sich umfassender Gesamtraum projiziert - wobei es nichts verschlägt, ob diese Projektion durch den unmittelbaren sinnlichen Eindruck oder durch eine mehr oder minder »korrekte« geometrische Konstruktion bestimmt wird."
Nach Meinung vieler Kunsthistoriker legte Filippo Brunelleschi mit seinen im Jahr 1410 gefertigten Bildtafeln den Grundstein für das weitere Wirken anderer Künstler. Unter seinem Einfluss soll Masaccio Wandfresken nach dem perspektivischen Verfahren erschaffen haben. Zu sehen sind diese zum Beispiel in der Brancacci-Kapelle in der Florentiner Kirche Santa Maria del Carmine. Die 1424 entstandenen Malereien "... waren so grandios, so expressiv und umstürzlerisch in Perspektive, Farbe, Ausdruck und Haltung, dass noch Jahrhunderte später die jungen Maler und Bildhauer (wie Michelangelo) zur Carmine-Kirche pilgerten." (Quelle: Wikipedia)
Auf das Wesentliche zusammengefasst ist das Sehen ein Verarbeitungsprozess diverser Informationen, die wir aus Licht gewinnen. Ein Teil des Sonnenlichts, das von unserer Umgebung reflektiert wird, fällt auf geraden Bahnen in unser Auge. Die Photonen der Lichtstrahlen werden von den Photorezeptoren der Netzhaut in elektrische Impulse umgewandelt. Mittels komplexer Vorgänge gelangen diese Informationen ins Gehirn, wo sie sich durch weitere Prozesse in ein visuelles Bild verwandeln. Dieses Bild ist lediglich eine Vorstellung unserer Realität, die sich aus dem evolutionär vorbestimmten Verarbeitungsprozess herausgefiltert hat.
Unsere Welt ist dreidimensional - unser Sehen basiert auf einer zweidimensionalen gewölbten Netzhaut. Damit wird klar - wir sehen nicht räumlich. Um es uns zu ermöglichen, uns im Raum bewegen zu können, greift die Natur zu einem Trick. Sie gab uns zwei Augen, die es uns ermöglichen stereoskopisch zu sehen. Das bedeutet, dass wir unsere Umgebung aus zwei Perspektiven gleichzeitig wahrnehmen. Unser Gehirn wandelt die vom Auge weitergeleiteten Informationen schließlich in ein dreidimensionales Bild um.
Wie erläutert, ist perspektivisches Sehen ein erlernter Prozess. Dem entsprechend ist perspektivisches Zeichnen eine durch Überlegung entstandene Möglichkeit, unseren dreidimensionalen Sehgewohnheiten auf der zweidimensionalen Ebene eines Bildes zu entsprechen. Dieser Schritt entwickelte sich aus der Überlegung, das Sehen mehr ist, als ein Sinn, der nur dem Überleben dient. Sehr gut formulierte dies Paul Valery mit seinem Satz: "Ich sehe mich mich sehen!"
Die Kunst erhielt eine neue Aufgabe - die bewusste Darstellung dessen, was der Mensch sehen kann. Was heute für uns selbstverständlich ist, kam zu Beginn der Renaissance einer echten Sensation gleich. Bis zu diesem Zeitpunkt widmeten sich die Künstler der Erschaffung von Bildern, die mehr sein sollten, als die gesehene Wirklichkeit. Meist aus religiösen Motiven entstanden, sollten Bilder mystisch, wenn nicht sogar magisch sein. Eine dritte Dimension war für diese Art der Darstellung nicht erforderlich. In seinem Aufsatz "Vom Sinn der Perspektive" (1953) formuliert dies B. Schweitzer sehr treffend mit dem Satz: "Unendliche Erd- und Zeiträume sind mit einer unperspektivischen Kunst erfüllt."
Obwohl sich perspektivisches Zeichnen erst in der Renaissance etablierte, findet man bereits bei griechischen Künstlern des frühen 5. Jahrhunderts eine körperliche Darstellung von Figuren und Objekten. Um Helden und Figuren Plastizität zu verleihen, - alles andere galt nur als bedingt darstellungswürdig - griffen die Künstler auf eine zu beobachtende Verkürzung von beispielsweise den Armen zurück. Auch die Überlagerung von zum Beispiel Gewändern und Beinen ist zu erkennen. Von einer Illusion von Raum, wie sie Panofsky mit dem Begriff "Fensterdurchblick" definierte, ist hier allerdings noch nicht zu sprechen.
Mit der Renaissance erfuhr der Mensch eine neue Betrachtung und damit auch die Kunst. Peter Weibel beschreibt dies in seinem Werk von 1990 "Zur Perspektive als konstruktivem Prinzip" mit den Worten: "Eine logozentrische Rationalität hat die (zweidimensionale) Repräsentationsfrage (des Raumes) als rationale Manier der Konstruktion definiert." "Sehbares Sehen" rückte in den Fokus der Darstellungen. Die qualitative Gleichbehandlung von Figur und Raum führte zu der Idee einer geometrisch erfassbaren Wirklichkeit und damit zur Entwicklung eines mathematisch begründbaren Konstruktionsverfahrens. Das erste bekannteste konstruierte Bildwerk ist wohl das Dreifaltigkeitsfresko von Masaccio. Den ersten Fluchtpunkt verwendeten nach Panofsky die Gebrüder Lorenzetti.
Nachdem die Fotografie die Aufgabe der Malerei, eine Darstellung der gesehenen Wirklichkeit zu erschaffen, weitestgehend übernahm, wurde der Weg frei für neue künstlerische Ideen. Die Abstraktion eroberte die Kunstwelt. Mit der Geburt von L'artpour l'art verschwand auch die Bedeutung der Perspektive aus der zeitgenössischen Kunst.
Nichtsdestotrotz wird auch heute in vielen Stilrichtungen nicht auf eine perspektivische Darstellung verzichtet. Wer kennt zum Beispiel nicht die Verwirrungen der Sinne, die Bilder von M.C. Escher bei uns auszulösen vermochten?